Genderstudie & Risikoverhalten

Männer mögen Risiko und Wettbewerb, Frauen sind eher vorsichtig und altruistisch: Eine neue Studie aus der Verhaltensökonomie widerspricht diesen bekannten (Vor-)Urteilen. Das Besondere daran: Erstmals wurde in ökonomischen Experimenten das Verhalten einer größeren Anzahl von Frauen und Männern mit jenem von Transpersonen verglichen.

„Weder das biologische noch das soziale Geschlecht spielten eine Rolle für die Entscheidungen, die die Personen getroffen haben“, sagt die Studien-Erstautorin Helena Fornwagner gegenüber science.ORF.at. „Diese Ergebnisse haben auch uns anfangs überrascht“, so die Verhaltensökonomin, die lange an der Universität Innsbruck gearbeitet hat und mittlerweile an der University of Exeter tätig ist.

Die Überraschung lag daran, dass Geschlechterunterschiede in der ökonomischen Literatur gut dokumentiert sind. Frauen gelten darin tendenziell etwa als „risikoaverser“ – sie würden also sichere, niedrigere Gewinne gegenüber höheren, aber unsichereren bevorzugen. Auch würden sie stärker zu altruistischem und weniger zu wettbewerbsorientiertem Verhalten neigen als Männer, so der bisherige Tenor. Die neue, von Fornwagner und ihrem Team vor Kurzem in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichte Studie hält dem nun gute Argumente entgegen.

An echten Menschen lange nicht interessiert

Die Vorgeschichte: Traditionell haben sich die Wirtschaftswissenschaften um das Verhalten von echten Menschen wenig gekümmert. Ausgegangen wurde von Modellen eines „homo oeconomicus“, der auf Basis bestmöglicher Information rationale Entscheidungen im Eigeninteresse trifft. Erst die Verhaltensökonomik hat vor rund 30 Jahren begonnen, sich für real existierende Menschen zu interessieren. Wie diese zu ihren wirtschaftlichen Entscheidungen kommen, haben Forscherinnen und Forscher danach in zahlreichen Experimenten überprüft. Dabei wurde nicht nur gezeigt, dass ein „homo oeconomicus“ in freier Wildbahn kaum anzutreffen ist, sondern auch, dass sich das Verhalten von Frauen und Männern unterscheidet – nicht zuletzt auch im Rahmen einer Studie, an der Fornwagner selbst beteiligt war.

Es gibt kein geschlechtstypisches Verhalten …

„Der beobachtete Gender Gap hat viel mit der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Studien zu tun“, erklärt die Verhaltensökonomin. Klassisch handelt(e) es sich dabei um Studentinnen und Studenten – und diese würden sich oft anders verhalten als breitere Teile der Bevölkerung. Das zeigte sich auch in der aktuellen Studie von Fornwagner, in der sie mit ihrem Team der Frage nach den Geschlechterunterschieden auf eine neue Weise nachgegangen ist: Unter den 780, über die Plattform “Prolific“ rekrutierten Personen waren Studierende genauso wie andere Menschen. Und als Premiere in der Forschungslandschaft: Knapp die Hälfte waren Transfrauen und Transmänner – Menschen also, bei denen das biologische Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeordnet wurde, nach Eigenangaben nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt.