KI in der Arbeitswelt

Vor kurzem wurde bekannt, dass Amazon plant, rund 15 Prozent seiner Belegschaft zu kündigen. Amazon suche nach Möglichkeiten, die Personalkosten zu senken, während das Unternehmen gleichzeitig 100 Milliarden US-Dollar in KI investiert, so das US-Magazin „Fortune“.

Der KI-Experte und Geschäftsführer des Technologieunternehmens Apollo.ai, Mic Hirschbrich, schätzt, dass in Österreich, Deutschland und der Schweiz „maximal vier bis sechs Prozent der Unternehmen KI wirklich signifikant einsetzen“. Wenn also Unternehmen, die wirtschaftlich zu kämpfen haben, der KI die Verantwortung zuschreiben und Kündigungen mit Effizienzsteigerungen begründen würden, sei dem folglich nicht immer zu trauen, so Hirschbrich gegenüber ORF.at.

Kritik an ziellosem KI-Einsatz

Unternehmen würden sich, was KI betrifft, derzeit noch in einer Testphase befinden, hätten vielleicht eine Lizenz erworben und würden ein bisschen damit „spielen“. Doch das sei noch kein produktiver Einsatz von KI.

„Viele glauben ja, wenn sie KI verwenden, sei das eine breit einsetzbare Intelligenz, die verschiedenste Dinge im Arbeitskontext zuverlässig erledigen könne“, kritisierte Hirschbrich. Auch bei der Onlinenewsplattform 404 Media ist mit Verweis auf aktuelle Studien zu lesen, dass die Einführung von KI-Tools am Arbeitsplatz nicht zu einem „magischen Produktivitätsschub geführt hat“.

„KI-System“

Die EU definiert KI als „ein maschinengestütztes System, das mit unterschiedlichem Grad an Autonomie“ betrieben werden könne. Aus den Eingaben, die es erhält, könne es Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen generieren.“

Vielmehr habe sich die Zeit erhöht, die Menschen nun damit verbringen würden, minderwertige KI-generierte „Arbeit“ zu korrigieren. Zudem würden Investitionen in Milliardenhöhe bisher kaum nennenswerte Gewinne gegenüberstehen.

„Revolution“ bei spezifischen Anwendungen

Hirschbrich sei daher ein „großer Verfechter“ sinnvoller KI-Produkte für spezifische Anwendungen. Nur dann könne KI zuverlässig Nutzen stiften. Hierbei gebe es bereits eine Reihe von Anwendungen, wo KI tatsächlich zur Optimierung beiträgt. Übersetzungen etwa würden mittlerweile eine hohe Qualität aufweisen: „Da können wir eine richtige Revolution erleben. Maschinen, die erstmals Sprache beherrschen.“

Einen „Erdrutsch“ sieht er unterdessen bei medizinischer Diagnostik, etwa bei der Früherkennung von Karzinomen. Und dasselbe gelte für den Managementbereich. Die Art, wie Führung und Aufsicht technologisch unterstützt würden, verändere sich gerade grundlegend.

KI als „Assistent“

Viele der angebotenen neuen Systeme seien assistierende KI, wo „Mensch und Technologie vertrauenswürdig zusammenarbeiten und die eine Seite die andere stärkt“. Konkret bedeute das: „Ich werde kaum einen Anwalt oder Richter ersetzen können – und auch nicht wollen.“ Doch das, was ein Konzipient mache, nämlich Normen recherchieren, Entwürfe verfassen, Verträge aufsetzen oder Gesetzestexte rezitieren, könne KI mittlerweile „beeindruckend gut“. Die Fortschritte sind hier beinah monatlich wahrnehmbar.

Julia Bock-Schappelwein, Arbeitsmarktökonomin beim Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), sieht beim Einsatz von KI den großen Unterschied zu früheren Innovationen darin, welche Art von Jobs betroffen sind: „Während bei früheren Automatisierungs- und Digitalisierungswellen insbesondere manuelle Routinetätigkeiten unter Druck gerieten, werden durch den Einsatz von KI besonders kognitive Tätigkeiten adressiert“, so Bock-Schappelwein gegenüber ORF.at. Bisher hätten kreative Aufgaben nicht als automatisierbar gegolten.

Jede dritte Arbeitsstunde mit Automatisierungspotenzial

Auch Sabine Köszegi, Professorin für Arbeitswissenschaft bei der Technischen Universität (TU) Wien und Mitglied des KI-Fachbeirats der Regierung, sieht ein hohes Potenzial zur Automatisierung – quer durch alle Branchen. „Ungefähr jede dritte Arbeitsstunde könnte mit Hilfe von KI automatisiert werden“, so Köszegi im Gespräch mit ORF.at.

Schließlich hätte jeder Job unterschiedliche Aufgaben, die immer auch einen Routineanteil aufweisen würden. „Je höher der ist, desto eher ist davon auszugehen, dass diese Anteile automatisiert werden.“ Als Beispiel nennt sie administrative Jobs.

Dennoch: „In der Regel reden wir nicht davon, dass ganze Jobs wegfallen und ganz neue entstehen. Sondern davon, dass sich Jobprofile, und zwar jedes Jobprofil, ändern. Indem Aufgaben automatisiert werden und andere neue dazukommen.“ Großen Chancen würden hierbei großen Herausforderungen folgen.

Experten: Rasante Entwicklung

In den USA sehe man bereits, dass der relative Anteil an Berufseinsteigerinnen in KI-exponierten Branchen in den vergangenen vier Jahren um 13 Prozent gesunken sei. In Europa sei man bei der Entwicklung ein bis zwei Jahre hinten. Bock-Schappelwein verwies hierbei auf einen aktuellen WIFO-Bericht, wonach sich der Anteil jener Unternehmen in Österreich, die KI einsetzen, 2024 auf rund 20 Prozent verdoppelt habe.

Für Köszegi sind das Aussichten, die jetzt vor allem die Regierung auf den Plan rufen müssten, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, etwa in Richtung Transferleistungen und Umverteilung. Sie glaube, dass die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt tatsächlich noch unterschätzt würden.

Hirschbrich verwies hierbei auf die Schnelligkeit der Entwicklungen: „Wir haben alle drei bis sechs Monate einen Technologieschub und müssen das immer neu bewerten.“ Für Bock-Schappelwein sei klar, dass in Zukunft ein „Bündel aus fachspezifischen technischen und fachübergreifenden Kompetenzen, sozialen und digitalen Kompetenzen“ gefragt seien. Und Köszegi zufolge müsse hinterfragt werden, ob Effizienzsteigerung den Einsatz von KI immer rechtfertige. Schließlich seien auch andere Kriterien wie Qualität und Nachhaltigkeit wichtig.

„Arbeit neu denken“

Diese disruptiven Entwicklungen könnten auch als Chance genutzt werden, sehr grundlegend die Frage zu stellen, „wie wir in Zukunft arbeiten wollen“, so Köszegi. „Ist es wirklich unsere Fantasie, dass wir Maschinen für uns arbeiten lassen wollen? Oder ist Arbeit auch ein wesentlicher Teil unserer Identität? Der unser Leben strukturiert und mit dem wir einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten können.“

Und weiter: „Sollten wir Arbeit nicht neu denken vor dem Hintergrund der Automatisierung?“ Schließlich sei Technologie nicht zuletzt ein kulturelles Artefakt: „Wir gestalten sie und wir setzen sie ein. Und es liegt in unserer Hand zu entscheiden, wie wir das tun.“

Studie: Internetnutzung führt nicht zu psychischen Beeinträchtigungen

Die Annahme, dass Internetnutzung die psychische Gesundheit beeinträchtigt, ist weit verbreitet. In einer Studie der Universität Oxford mit den Daten von zwei Millionen Menschen aus 168 Ländern wurden nun aber keine eindeutigen Belege dafür gefunden. Die Forscher fordern die Technologiekonzerne aber auch auf, der Wissenschaft mehr Daten zur Verfügung zu stellen.

Insbesondere vor den Auswirkungen auf Jugendliche werde oft gewarnt, etwa durch soziale Medien und Onlinespiele. Im Untersuchungszeitraum von 2005 bis 2022 seien aber „nur geringe und widersprüchliche Veränderungen des weltweiten Wohlbefindens und der psychischen Gesundheit“ zu verzeichnen gewesen – und diese deuten nicht eindeutig auf einen Zusammenhang mit der Nutzung des Internets hin. Der Einfluss sei „allenfalls gering“.

Weitere Studien zu diesem breiten Themenfeld seien aber notwendig, so die Studienautoren. Denn im Grunde müsste das Verhalten von Userinnen und Usern direkt auf den unterschiedlichen Onlineplattformen erforscht werden, dazu fehle es aber an Daten.

Direkte Auswirkungen „nicht feststellbar“

Für ihre Studie, die nun im Fachjournal „Clinical Psychological Science“ (sobald online) erschienen ist, stellten die Wissenschaftler Statistiken zur Internetnutzung und mobilen Breitbandverbindungen Daten zur psychischen Gesundheit und zum mentalen Wohlbefinden von zwei Millionen Menschen in 168 Ländern gegenüber.

Zur psychischen Gesundheit wurden Schätzungen zu Depressionen, Angststörungen und Selbstverletzungen auf der Basis von Gesundheitsdaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herangezogen. Das mentale Wohlbefinden wurde anhand von Daten aus persönlichen und telefonischen Befragungen in der jeweiligen Erstsprache der Befragten bewertet.

„Wir haben die umfangreichsten Daten zum psychischen Wohlbefinden und zur Internetnutzung untersucht, die jemals untersucht wurden – sowohl im zeitlichen als auch im demografischen Zusammenhang“, so Vuorre in einer Aussendung der Universität Oxford. Direkte Verbindungen konnten in der Studie aber nicht festgestellt werden, die Ergebnisse deuten lediglich auf kleine und uneinheitliche Zusammenhänge hin.

„Bestimmte Gruppen nicht stärker gefährdet“

„Wir haben sehr intensiv nach einem eindeutigen Beleg gesucht, der einen Zusammenhang zwischen Technologie und Wohlbefinden herstellt, ihn aber nicht gefunden“, so Przybylski. „Wir haben sorgfältig geprüft, ob es etwas Besonderes in Bezug auf Alter oder Geschlecht gibt, aber es gibt keine Beweise, die die weitverbreitete Vorstellung stützen, dass bestimmte Gruppen stärker gefährdet sind.“

Die Forscher filterten die Ergebnisse unter anderem auch nach Alter und Geschlecht, beispielsweise in Bezug auf Frauen oder junge Mädchen. Doch auch in diesen Gruppen fanden sich keine Muster, die auf einen Zusammenhang zwischen mentalem Wohlbefinden, psychischer Gesundheit und der Nutzung von Internettechnologien und Onlineplattformen hindeuten. Im Durchschnitt der 168 Länder nahm die Lebenszufriedenheit etwa bei Frauen in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten laut der Studie sogar zu.

Marketing ja, Wissenschaft nein

Vuorre und Przybylski betonen aber auch, dass die Erforschung dieses weitreichenden Themenbereichs durch methodische Mängel erschwert werde. Für letztendlich schlüssige und differenziertere Belege für die Auswirkungen von Internetnutzung auf den Menschen fehlt es laut den Autoren an Daten. Diese Daten seien vorhanden „und werden von den globalen Technologieunternehmen zu Marketing- und Produktverbesserungszwecken laufend analysiert, sind aber leider für unabhängige Untersuchungen nicht zugänglich“, heißt es in der Studie.

Mehr Transparenz ist laut den Forschern „von entscheidender Bedeutung“, um die Auswirkungen internetbasierter Technologien auf die Gesellschaft zu untersuchen. Sie fordern daher eine verstärkte Zusammenarbeit von Technologiekonzernen mit der Wissenschaft.