Burnout – Tendenzen in Österreich

Mehr als 40 Prozent der Erwachsenen in Österreich weisen erste Anzeichen von Burnout – einem Zustand extremer Erschöpfung – auf. Auch wenn die Zahl der tatsächlichen Erkrankungen deutlich niedriger ist: Die ÖGK bemerkt eine „starke Zunahme“ bei der Psychotherapie.

„Acht Prozent wirklich betroffen“

Das heiße aber nicht, das sie auch wirklich daran erkrankt sind, sagt Andreas Kaiser, Leiter des Instituts für klinische Psychologie an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg: „Wie der Kollege ja richtig sagt, sind um die 40 Prozent mit solchen Symptomen konfrontiert. Aber wenn man das jetzt genauer betrachtet, dann sind von den 40 Prozent tatsächlich nur acht Prozent wirklich von einem Burnout betroffen und circa 17 Prozent in einer Art von Übergangsstadium Richtung Burnout. Und 19 Prozent sind in einem problematischen Stadium, das aber noch vom Burnout weit entfernt ist.“

ÖGK: „Starke Inanspruchnahme“ von Therapieangeboten

Wie viele Burnout-Betroffene es in Salzburg tatsächlich gibt, das traut sich der Obmann der Gesundheitskasse ÖGK in Salzburg, Thom Kinberger nicht zu sagen: „Konkrete Zahlen kann ich Ihnen nicht nennen. Aber was ich schon sagen kann: Wir haben das Angebot im Bereich der Psychotherapie ausgeweitet und wir verzeichnen hier eine starke Zunahme und eine Inanspruchnahme.“

„Also wenn Sie jetzt fragen, wie das so gefühlsmäßig ist, dann würde ich sagen: Ja, es ist mehr“, ergänzt Kinberger. „Ob es tatsächlich mehr Leute krank sind, das kann ich nicht sagen, weil wir merken schon eine Sensibilität innerhalb der Bevölkerung für dieses Thema und der Patient zurückkommt mit einer Selbstdiagnose und sagt Ich glaub, ich rutsche ins Burnout, wo man früher das vielleicht ein bisserl unter den Teppich gekehrt hat, weil man sich vielleicht geschämt hat. Aber da ist jetzt unser offener Umgang und das ist ja wichtig, weil nur wenn es offen auch eine Erkrankung oder eine Belastung anerkennen und therapieren.“

Fehlen von Lob und Benefits in der Arbeit

Ein Burnout steht in Zusammenhang mit beruflicher Überforderung. Dabei sei es vor allem das Fehlen von Lob oder Benefits, das dazu führen könne, sagt Kaiser: „Es macht einen Unterschied, ob ich etwas leiste und etwas dafür bekomme, oder ob ich etwas leiste und nichts dafür bekomme. Wenn ich viel arbeite und keine Rückmeldung mehr bekomme für meine gute Arbeit, dann wird’s problematisch.“

Wenn man nicht nur an einem Tag müde, grantig und unmotiviert ist, sondern wenn dieser Zustand über Tage oder sogar Wochen andauert, dann sollte man aufpassen, sagt Kaiser: „Prinzipiell versteht man unter Burnout eine Erkrankung, die sich definiert über berufliche Erschöpfung und Persönlichkeitsveränderungen und Probleme beim Einschätzen der eigenen Leistung.“

Wer sich über Job definiert, ist besonders gefährdet

Doch wie bemerkt man, wenn man Burnout-gefährdet ist? Der Psychiater beantwortet da so: „Ein ganz deutliches Symptom ist, wenn ich merke, dass ich mich als Person verändere. Wenn ich zum Beispiel zynisch werde oder die Wertigkeit nicht mehr erkenne, dann ist das definitiv ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt. Dann muss man auf die Bremse steigen. Dann muss ich meinem Umfeld kommunizieren: Leute, das ist zu viel. Ich muss jetzt ein bisschen zurückstecken und auf mich schauen. Man muss sich dann letztendlich abgrenzen lernen.“

Besonders Personen, die sich vor allem über die Arbeit definieren, seien gefährdet, ergänzt der Psychiater: „Wenn ich mich nur auf die Arbeit konzentriere, wird es gefährlich. Wenn ich aber auf die Arbeit, die Familie und vielleicht noch ein paar andere Dinge – zum Beispiel Vereine – setze, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass mein ganzes Konstrukt zusammenbricht, sehr gering. Aber Personen, die nur auf die Arbeit setzen, sind natürlich gefährdeter.“

Einige Präventions-Angebote

Beim Burnout, das auch medizinisch definiert ist, bietet die ÖGK Salzburg bietet einige Präventionsmaßnahmen wie Kurse und Kur-Einrichtungen an.

Ein anderer Begriff, über den man in diesem Zusammenhang oft stolpert, ist das „Boreout“. Doch das sei mit dem Burnout nicht zu vergleichen, sagt Kaiser: „Beim Boreout spricht man nicht von einem medizinischen Fachbegriff. Das ist eine Definition, die einfach erfunden wurde. Aber das Boreout beschreibt die Unterforderung und die Langeweile am Arbeitsplatz. Also jeder, der sich jetzt unterfordert fühlt, sollte dementsprechend von seinem Arbeitgeber einfordern, dass man mehr Arbeit kriegt.“

Neue Ambulanz für Psychotherapie

Die Universität Salzburg hat in der Getreidegasse eine neue Ambulanz für Psychotherapie eröffnet. Insgesamt zwölf PsychotherapeutInnen werden dort mit ganz unterschiedlichen Methoden arbeiten. Ziel ist es, die verschiedenen Richtungen der Psychotherapie auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen.

PatientInnen sollen passenden Therapie-Ansatz finden

Doch nicht nur die Psychotherapieforschung soll von dieser neuen Einrichtung in der Getreidegasse profitieren. PatientInnen und Patienten sollen in der Universitätsambulanz etwa auch schneller den für sie passenden Therapie-Ansatz finden.

Studie: Pflegearbeit und Jobwechsel

Jeder vierte Beschäftigte im niederösterreichischen Gesundheits- und Pflegebereich denkt zumindest einmal pro Woche daran, den Job zu wechseln. Zu diesem Resultat kam eine von der Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) beauftragte Studie.

Eine Conclusio der Studie lautet, dass die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegewesen ihre Tätigkeit durchaus schätzen, aber körperlich und psychisch erschöpft sind. Als eine wesentliche Ursache gelten laut Aussendung der Arbeiterkammer die „laufend anwachsenden beruflichen Belastungen“.

Befragt wurden durch das Wissma Marktforschungsinstitut 2.900 Personen. AKNÖ-Präsident Markus Wieser verlangte auf dieser Grundlage am Mittwoch „endlich nachhaltige Lösungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“.

Höhere Einkommen und bessere Vereinbarkeit gewünscht

41 Prozent der Befragten glauben, dass sie ihren Job wahrscheinlich nicht bis zur Pension ausüben können. Gewünscht werden von den Pflegekräften neben einem höheren Einkommen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, kürzere Arbeitszeiten bei vollem Gehalts- und Personalausgleich sowie berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten.

Wieser forderte Verbesserungen in den Bereichen Arbeitsbedingungen, Personal und Entgelt ein: „Die groß angekündigte Pflegereform der Bundesregierung ist jedenfalls nicht bei den Beschäftigten angekommen.“ Es brauche u. a. eine nachhaltige Finanzierung der Gehaltserhöhungen statt zeitlich befristetem Pflegebonus sowie einen leichteren Zugang zur Schwerarbeitspension für Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufe.