Corona und psychische Gesundheit

Seit Monaten leben die Menschen aufgrund der CoV-Pandemie weltweit unter mehr oder weniger starken Einschränkungen. Die Folgen sind seither dramatisch – für die Gesundheit, für das wirtschaftliche Überleben, für das gesellschaftliche Zusammenleben. Und erst langsam werden die Auswirkungen, die die Pandemie auf das psychische Befinden der Menschen hat, sichtbar.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres betonte aus Anlass des Tages der psychischen Gesundheit am Samstag, dass erst jetzt die Folgen der Coronavirus-Pandemie auf das psychische Wohlbefinden der Menschen sichtbar werden. Das sei jedoch „erst der Anfang“, wurde er in einer Aussendung der Vereinten Nationen in Wien zitiert.

„Viele Gruppen, darunter ältere Menschen, Frauen, Kinder und Menschen mit bestehenden psychischen Erkrankungen, sind mittel- und langfristig einem erheblichen Gesundheitsrisiko ausgesetzt“, betonte Guterres.

Kaum jemand unberührt

Unberührt lässt die Pandemie mit ihren Auswirkungen auf alle Lebensbereiche jedenfalls kaum jemanden. Auch psychisch Gesunde spüren eben die Belastungen, wenn auch meist weniger stark und mit Verzögerung, wie bereits im Sommer eine Studie feststellte.

Erst diese Woche wurde freilich eine Studie zu Wien präsentiert. Dabei gab ein Viertel der Befragten an, psychisch unter dem pandemiebedingten Stress zu leiden. Es zeigte sich zudem eine direkte Abhängigkeit des Wohlbefindens von der wirtschaftlichen Situation – mehr dazu in wien.ORF.at. Erschöpfung und anhaltende Müdigkeit dürften zwei der häufigeren psychischen Folgen der Belastung sein, wie eine irische Studie nahelegt – mehr dazu in science.ORF.at.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Mehr Geld für Therapien gefordert

„Zu wenige Menschen haben Zugang zu hochwertigen psychiatrischen Diensten. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen erhalten mehr als 75 Prozent der Menschen mit psychischen Erkrankungen überhaupt keine Behandlung“, sagte er. „Insgesamt geben die Regierungen im Durchschnitt weniger als zwei Prozent ihres Gesundheitsbudgets für die psychische Gesundheit aus. Das kann so nicht weitergehen“, kritisierte Guterres in einer Erklärung zum Welttag für psychische Gesundheit am Samstag (10. Oktober).

Weltweit leben laut UNO fast eine Milliarde Menschen mit einer psychischen Störung. Alle 40 Sekunden stirbt jemand durch Suizid. All das galt laut Guterres bereits vor dem Ausbruch der Pandemie. „Wir müssen jetzt zusammenarbeiten, um allen, die sie benötigen, eine qualitativ hochwertige psychiatrische Versorgung zur Verfügung zu stellen, damit wir uns schneller von der Covid-19-Krise erholen können“, forderte der UNO-Generalsekretär.

Mehr Alkoholkonsum und Angstzustände

Die WHO-Direktorin für psychische Gesundheit, Devora Kestel, nannte die psychischen Folgen diese Woche den „vergessenen Aspekt von Covid-19“. „Die Trauer um verstorbene Corona-Opfer, Vereinsamung, Einkommensverluste und Angst lösen psychische Erkrankungen aus oder verschlimmern bereits bestehende Erkrankungen.“ Viele Menschen reagierten auf ihre Probleme mit „erhöhtem Alkohol- und Drogenkonsum, Schlaflosigkeit und Angstzuständen“.

Obwohl alle Regionen der Welt betroffen sind, gelang es reichen Staaten laut WHO besser, Dienstleistungen im Kampf gegen psychische Probleme aufrechtzuerhalten. 30 Prozent der zwischen Juni und August befragten Staaten aber gaben an, dass vor allem die Notfall- und Medikamentenversorgung Betroffener unter der Krise litten. Auch Präventionsprogramme seien stark betroffen – unter anderem aufgrund von Reisebeschränkungen. Inzwischen gebe es aber auch kreative Lösungsansätze wie Telemedizin und Teletherapie.

Ruf nach mehr Leistungen auf Krankenschein

Freilich gibt es auch in Österreich seit Jahren Forderungen, die Behandlungen psychischer Erkrankungen auf Krankenschein auszubauen. Dazu fehlen in vielen Bereichen auch die nötigen Ärztinnen und Ärzte und Einrichtungen, etwa für Jugendliche. Im Regierungsprogramm haben ÖVP und Grüne sehr allgemein einen Ausbau der Leistungen auf Krankenschein festgehalten. In Salzburg warnt etwa der Verein Pro Mente vor den Spätfolgen des Lockdowns im Frühjahr – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

WHO: Lohnt sich auch volkswirtschaftlich

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weist ihrerseits auf Schätzungen vor Beginn der Pandemie hin, wonach allein durch Depressionen und Angstzustände jedes Jahr rund eine Billion Dollar (850 Mrd. Euro) an Produktivität verloren gingen. Laut WHO brachte aber jeder Dollar, der für ihre Behandlung ausgegeben wurde, fünf Dollar ein. Mit anderen Worten: Ein breites Angebot zur Behandlung psychischer Erkrankungen hilft nicht nur den Betroffenen, sondern rechnet sich auch volkswirtschaftlich.