Anerkennungskultur im Betrieb

SN-Interview mit Prof Siegrist, dem Pionier der Wertschätzungskultur im Betrieb.

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Die Siegrist-Philosophie -Haltungen und Verhaltensweisen – Wie Führungskräfte den „Wertschätzungstank“ ihrer Mitarbeiter füllen können

Viele Studien belegen, Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern wirkt positiv auf das Commitment und die Motivation. Zunehmend wird auch die Wirkung von Wertschätzung auf die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter anerkannt. Die richtigen Haltungen und die Verhaltensweisen vorausgesetzt, ist Wertschätzung ein Bestandteil guter Führung. Zudem sind die Effekte der Wertschätzung oft unmittelbar bei Wertschätzungsgeber und -nehmer wahrnehmbar.

Was vermissen Mitarbeiter in den meisten Fällen bei ihren Chefs?

Die Leiterin der Personalentwicklung eines großen Unternehmens betrachtet sorgenvoll die Antworten der jüngsten Ergebnisse ihrer Mitarbeiterbefragung: Es fehlt an Wertschätzung und Anerkennung. Als Führungskraft fragt sie sich: Was soll ich tun? Oder vielmehr: Was soll ich denn noch tun? Werden Führungskräfte direkt befragt, wie sie es mit Lob und Anerkennung halten, sagen einige: „Wir sind hier nicht zum Kuscheln da“. Die Mehrzahl antwortet aber, dass sie Wertschätzung geben, die Mitarbeiter respektieren und auch häufig loben. Trotzdem haben sie oftmals das ungute Gefühl, dass ihr Tun wirkungslos verpufft.

Aktuelle neurobiologische Forschungsergebnisse belegen: Führungskräfte leisten durch „richtige“ Wertschätzung einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit, Motivation und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter. Umgekehrt gilt: Mitarbeiter mit leerem „Wertschätzungs-Tank“ können krank werden.

Vom Leiter des Instituts für Medizinische Soziologie, Professor Johannes Siegrist, stammt das Buch „Der Homo Oeconomicus bekommt Konkurrenz. Die Wiederentdeckung der Emotion in der Wirtschaft“. Darin belegt er, dass Arbeitsbedingungen mit dem Ziel der reinen Nutzenmaximierung krank machen – und zwar die Mitarbeiter. Davon sind bei weitem nicht nur diejenigen Mitarbeiter betroffen, die mit ihrem Selbstmanagement Probleme haben oder sich nicht gesund ernähren.  

Wertschätzende Führung, die Mitarbeiter erreicht

Wertschätzende Führung muss den Mitarbeiter tatsächlich erreichen, damit Krankheitskosten die im Zusammenhang mit fehlender Anerkennung und Wertschätzung stehen nicht steigen oder die eigenen Fachkräfte sich nicht auf dem Arbeitsmarkt nach Alternativen umschauen.

Vorstände großer Unternehmen betonen ständig: „Vertrauen führt“ oder „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“. Wenn alle davon reden, dass Wertschätzung wichtig ist, Führungskräfte ihr Bestes geben und die Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen trotzdem den klaren Mangel an Wertschätzung zeigen, kann das nur einen Grund haben: Die gute Absicht versickert auf dem Weg zur Wirkung. Klar ist, Führungskräfte müssen Wertschätzung zeigen. Unklar ist den meisten Chefs noch, wie es wirksam und nachhaltig gehen kann.

Wertschätzend zu führen ist eine erlernbare Kunst, die im Idealfall auch den richtigen Zugang zum „Herzen“ des Mitarbeiters findet. Im Folgenden werden geeignete Haltungen und Verhaltensweisen zusammengestellt, die es ermöglichen den „Wertschätzungstank“ der Mitarbeiter aufzufüllen. Zusätzlich werden fünf Sprachen der Wertschätzung vorgestellt, die es erlauben, jeden Mitarbeiter in seinen bevorzugten Sprachen wertzuschätzen.

Haltungen und Verhaltensweisen wertschätzender Führung

Die meisten Menschen benötigen für ihre eigene Motivation und Leistungsfähigkeit das Gefühl, nützlich für das Unternehmen und das eigene Team zu sein. Das ist keine reine Kopfsache. Entscheidend ist das Gefühl, dazuzugehören, akzeptiert und gebraucht zu werden. Auch wenn dafür im Alltag oftmals wenig Zeit bleibt oder die Aufmerksamkeit fehlt, soll ein kleines Experiment verdeutlichen, welche Wirkung das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein dieser Emotionen haben kann:

Der leere Tank: Machen Sie es sich doch für ein paar Minuten bequem und richten Sie ihre Aufmerksamkeit nach innen. Stellen Sie sich jetzt eine Situation vor, in der Sie sich in ihrem bisherigen Arbeitsleben nicht zugehörig gefühlt haben. Wie ging es Ihnen in dieser Zeit? Wie haben Sie die anderen erlebt? Mitarbeiter die sich auf dieses Experiment einlassen berichten häufig: „Ich fühle mich abgelehnt, unverstanden, unsicher, ausgegrenzt, überflüssig, als Opfer. Ich habe Versagensängste, bin aggressiv und enttäuscht.“

Der volle Tank: Dagegen berichten viele Mitarbeiter „Ich bin kreativ, habe Ideen, sehe das Positive, fühle mich wohl, bin offen, glücklich, lustig, super motiviert“ wenn sie sich an eine Situation erinnern, in der sie sich einem Team voll zugehörig gefühlt haben. Sie erleben sich dann als kraftvoll, optimistisch, selbstbewusst und belastbar. Werden Mitarbeiter befragt: „Was kann ihr Chef tun, wenn Sie sich nicht zugehörig fühlen?“, reicht die Aufzählung von A wie auf mich zukommen und an mir und meiner Arbeit Interesse zeigen bis Z wie Zeit haben und mit mir zusammenarbeiten. Dazu gehört auch zu lächeln, eine einladende Geste zu machen, einen freundlichen Blickkontakt auch mal etwas länger zu halten, Vorschläge anzuhören und den Mitarbeiter bei Entscheidungen einzubeziehen, die Hand zu geben, die erbrachte Leistung aber auch die erbrachten Fortschritte anzuerkennen, zuzuhören,(ansprechende) Aufgaben zu übertragen und Vertrauen entgegenzubringen, den Mitarbeiter bei seinem Namen zu nennen, Rückmeldung zu geben oder Fragen zu stellen. Es geht oft um einfache Dinge, die „in der Tat“ zu kraftvollen Gewohnheiten werden. Das fängt schon dabei an, nicht am Computer zu tippen, während man mit seinem Mitarbeiter im Gespräch ist.

In der Praxis fehlt es jedoch nicht nur Mitarbeitern an Wertschätzung, auch Führungskräfte brauchen Lob und Anerkennung…